Nachlese

Voller Verzweiflung, Sehnsucht und Hoffnung
Rezension von Karin Gause

Am 7. Mai 2013 fand abends in der Schwanenburg in Limmer die Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 statt.
Bereits eine Viertelstunde vor Beginn der Veranstaltung war der Saal bis auf den letzten Platz besetzt. Mit der musikalisch-theatralen Aufführung „Worte im Licht“ ist unter Regie der Ideengeberin und Projektleiterin Corinna Luedtke eine ebenso gekonnte wie emotional ergreifende Inszenierung umgesetzt worden.
In den folgenden zwei Stunden brachten die Schauspieler Björn Boresch, Carsten Faseler, Robert Lang und Schauspielerin Leonie Rainer auf einer „schmucklosen“ Bühne Wortäußerungen aus Tagebüchern, Briefen und Gedichten im „Dritten Reich“ verfemter SchriftstellerInnen durch ihren intensiven und eindringlichen Vortrag geradezu zum Leuchten. Dieses Leuchten wurde optisch verstärkt durch Video-Installationen des Videokünstlers Tosh Leykum auf einer Leinwand hinter der Bühne. In stilisierter Form wurden die Köpfe derjenigen Künstler ins Licht gesetzt, deren Worte gerade durch die Sprechkunst der Schauspieler auf der Bühne zu neuem Leben erwachten. Begleitet wurde der Vortrag von den exzellenten Musikern Robert Kusiolek und Elena Chekanova unter anderem mit elektronischen Klanginstallationen, die sich gelegentlich, passend zu dem jeweils vorgetragenen Text, zu quälender Schrillheit steigerten. Diese Kombination von visuellen und klanglichen Gestaltungselementen schuf eine äußerst dichte Atmosphäre, in der das ganze Leid und die Tragik der verfolgten – meist jüdischen – Künstler Raum hatten, sich zu entfalten und so für die Menschen im Publikum nachfühlbar wurden.
Besonders gelungen das minimalistische Bühnenbild. Dazu gehörte die in großen Lettern an die Wand gehefteten Worte Bertolt Brechts „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!“. Nichts lenkte also ab von all dem Schrecklichen, das die verfolgten Künstler erlitten und für das die Bücherverbrennung 1933 ein weithin wahrnehmbares Fanal gesetzt hatte.

Beispielhaft an dem Abend einige besonders eindrückliche Textbeiträge:
In einem Augenzeugenbericht schildert Erich Kästner, großartig von Robert Lang gesprochen, wie er in Berlin als einziger von 24 betroffenen Schriftstellern der Verbrennung seiner eigenen Bücher beigewohnt hatte. Wie er erschrak, als eine in seiner Nähe stehende Frau mit dem Finger auf ihn zeigte und erstaunt ausrief: Da ist ja der Kästner! Wie ihn Angst beschlich, dass es ihm nun persönlich an den Kragen gehen werde, nachdem seine Bücher verbrannt worden waren. Wie seltsam es sich für ihn anfühlte, dass fortan seine Bücher nicht mehr in den Buchhandlungen zum Kaufe auslagen. Dass die Menschen in der Vorweihnachtszeit durch die Straßen hasteten, um Geschenke zu kaufen und sein Buch auf keiner Geschenkeliste mehr zu finden war. Dass er als Dichter in Deutschland einfach ausgemerzt war … Dies alles erlebte Erich Kästner hautnah, der nicht das Exil gewählt hatte, sondern Chronist der Ereignisse sein wollte.

Bedrückend und beeindruckend auch die Szene, in der Leonie Rainer die amerikanische Schriftstellerin Stella Hershan wiedergibt, die auf der Fahrt mit ihrem Auto zu der Villa ihrer Eltern in Hietzing unterwegs gewesen war, als sie von SA-Leuten gestoppt wurde. Bei einem Blick in ihren Wagen herrschte dieser sie an: „Ist das Ihr Auto“? „Ja“. „Sind Sie jüdisch?“ Als sie nach kurzem Zögern mit „Ja“ antwortete, hieß er sie aus ihrem Auto steigen und beschlagnahmte es. Fragen und Antworten wurden von den Schauspielern im Dialog vorgetragen. „Sind Sie jüdisch?“ scholl in derart schneidendem Ton aus dem Hintergrund, dass ich in meiner Vorstellung den subalternen Nazi in seiner furchtheischenden Uniform, wie er im Namen des Vaterlandes ein Auto stahl, plastisch vor mir stehen sah.
Es sind diese kleinen, wie hingetupft wirkenden Szenen, die in ihrer pointierten Darstellung die Faszination der gesamten Inszenierung ausmachten.
Katia und Thomas Manns‘ Sohn Klaus wurde zum Wortführer der Emigration. In „Nacht über Deutschland“ aus „Der Wendepunkt“ von 1942 stellte er eindringlich das Versinken seines Vaterlandes in Grauen und Verderben dar. Robert Lang hat es in seinem bewegenden Vortrag verstanden, das Entsetzen Klaus Manns über diese niederschmetternde Entwicklung zum Ausdruck zu bringen.
Ebenso eindrucksvoll Leonie Rainer mit Bertolt Brechts „Lied einer deutschen Mutter“, die es bitter bereute, ihren Sohn zum Nazitum ermuntert zu haben, als sie am Ende erkennen musste, was daraus geworden war …
Aber die Veranstaltung blieb nicht in der Beschreibung des Nazigrauens stecken. Den Schlusspunkt setzte das von Else Lasker-Schüler ca. 1944 im Exil verfasste Gedicht „Ich liebe dich .....“. Es ist ein Gedicht voller Verzweiflung, Sehnsucht und Hoffnung auf eine bessere Welt. Mit ihren Worten versuchte Else Lasker-Schüler, die grenzenlose Einsamkeit ihres Exildaseins zu transzendieren in eine andere Welt voller Liebe, Harmonie und Einssein mit sich und dem Dasein.

Als das letzte Wort gesprochen war, herrschte im Publikum für viele Sekunden eine atemlose Stille, bis die ersten zaghaften Klatscher hörbar wurden. Diese steigerten sich rasch zu tosendem Beifall, der die Mitwirkenden für ihre grandiose Darstellung belohnte.
Am Ende gab es noch eine besondere Zugabe. Der anwesende Holocaust-Überlebende Salomon Finkelstein las einen Text auf Jiddisch. Vorher gab er seiner besonderen Freude Ausdruck, diese alte Sprache, die für ihn so viele Erinnerungen berge, einmal wieder erklingen zu lassen.

Als ich beim Verlassen der Schwanenburg in die vielen bewegten Gesichter um mich herum blickte, war ich sicher, dass diese Veranstaltung nicht nur für mich ein besonderes Highlight in der Erinnerungskultur an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte gewesen ist!


Besucher-Kommentare

Das war die beste kulturelle Veranstaltung, die ich seit Jahren erlebt habe.
M. K.

... ganz, ganz herzlich möchte ich mich für den eindrucksvollen Abend „Worte im Licht“ bedanken, der wunderbar gestaltet wurde! Das anspruchsvolle Thema Bücherverbrennung, setzt eine sehr sensible, Kenntnisreiche Herangehensweise voraus. Diesem Anspruch wurde die nachdrückliche Inszenierung mehr als gerecht. Dem aufmerksamen Zuschauer wurde bewusst, dass hinter diesem überzeugenden Abend, viel vorbereitende Arbeit, viel Mühe zur aufwendigen Realisierung des Projektes, hohes persönliches Engagement, und ganz viel Herzblut steckt.
Danke für diese, stets in Erinnerung bleibenden Stunden!
Hartmut Winter

... es war ein wunderbarer Abend, der uns rundum gefallen hat. Die gute Auswahl der Texte und das spürbare Engagement der Vortragenden ergaben ein stimmiges Bild. Auch wenn ich selbst schon verschiedene Texte und auch Biografien kannte, ergaben sich neue Blickwinkel für mich.
Danke an Sie und alle, die mitgewirkt haben für den unvergesslichen Abend.
Barbara Fleischer

(...) ich möchte Ihnen sagen, dass es ein Erlebnis war, über die Vorbereitung an der Veranstaltung teilgenommen zu haben. Es war großartig  und hat Standards gesetzt!
Reinhard Leicht

… vielen Dank für diese besondere Veranstaltung. Es hat mir sehr gut gefallen, wie dieses sehr schwierige Thema umgesetzt wurde. Im Nachgang und mit Ruhe war es für mich sehr bewegend und es ist ganz wichtig, dass dieses Thema in Erinnerung bleibt und für uns eine Mahnung und Warnung darstellt, ähnliche Fehler nicht ebenso zu begehen und auch dafür zu kämpfen.
"Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!“
S. T.

Herzlichen Dank für die Veranstaltung in der Schwanenburg! Ich bin nachhaltig beeindruckt von diesem Abend. Er bot den verfemten Dichtern und Dichterinnen ein würdiges Andenken, sehr professionell inszeniert. Ich kann mir vorstellen, dass die Vorbereitung eine ungeheuer große Arbeit war... Respekt!
Erika Philipp

… vielen Dank für die wunderbare, ergreifende Aufführung gestern. Ich war beeindruckt- sowohl vom Konzept des ganzen Projektes als auch von der Ausführung durch die tollen Künstler (…). Die Videokunst war faszinierend, die Schauspieler haben die bewegenden Texte der verschiedenen Schriftsteller sehr überzeugend dargestellt und uns Zuschauern wirklich nahe gebracht, und die musikalische Gestaltung der Szenen fand ich genial! Besonders berührt hat mich das Stück zum Ausklang, das die beiden Musiker gespielt haben – einfach fantastisch! Nach der Veranstaltung dachte ich mir, dass sich große Kunst eben doch häufig eher im Verborgenen abspielt und nicht unbedingt auf den großen Bühnen des Lebens...! Auch die persönlichen Begrüßungsworte von Corinna Luedtke am Anfang haben mir sehr gut gefallen – sie hat sehr berührend zum Ausdruck gebracht, dass ihr die Zusammenarbeit mit den wunderbaren Künstlern viel Freude bereitet hat und sie auch dankbar dafür ist, dass alle so engagiert mitgemacht haben.
(...) ich musste die Eindrücke erst noch einmal ein bisschen sacken lassen. Auf jeden Fall möchte ich mich wieder einmal mehr mit Literatur von Schriftstellern beschäftigen, die das schwere Schicksal hatten, in der Nazi-Zeit leben zu müssen.
Annette Liss

... zum gestrigen Abend nur zwei Worte: Vielen D A N K !!!!!!!!!!!!!!!!
Joachim G.

... vielen Dank, dass wir noch die Chance hatten Ihre Veranstaltung in der Schwanenburg zu besuchen. Die Darbietung der Texte u. Schriftsteller in Wort, Bild und Ton/Musik war beeindruckend und sehr gut gewählt. Auch die Räumlichkeiten mit ihrer Geschichte und der gelungenen Sanierung haben dem Ganzen einen passenden Rahmen gegeben.
Schade wäre es nur wenn dies die einzige Aufführung bliebe.
H. F.

… vielen Dank für die berührende, beeindruckende, spannende Veranstaltung am Dienstag. Wir waren sehr froh, es miterleben zu dürfen. Die Textauswahl war sehr groß, ich ahnte nicht, wie viele Schriftsteller verfolgt waren. Die Musik von Robert ergänzte alles wunderbar! Die Videobilder von Tosh bildeten eine ganz neue wichtige Ebene dazu, die mit der Musik verschmolz.
Dass wir nach Hause mit dem Gedicht: „Ich liebe dich“ entlassen wurden, war wunderbar und hat mich wirklich zu Tränen gerührt.
L. Z.

… und wollte mich ganz, ganz herzlich bedanken bei Ihnen und allen Mitwirkenden!
Es war für mich ein großartig durchdachter, durchfühlter (und ausgeführter) Abend – eben ein Gesamtkunstwerk und durch den bewegenden Schluss trotzallem mit Hoffnung ...
Sehr herzlichen Dank (…)
F. K.

… das war eine fantastische Darbietung! Ich habe den Abend sehr genossen!
Die Texte sind toll ausgewählt, und der eindringliche und intensive Vortrag der Schauspieler hat den Ungeist jener schrecklichen Zeit in äußerst authentischer Weise wach werden lassen. Die Lebensumstände von damals erstanden wieder auf …
Also - ich bin schwer begeistert und immer noch sehr beeindruckt!
G. K.

Es war ein wunderschöner, perfekter Abend!
M. S.

… nun sitzen wir hier bei einem Glas Rotwein und sind noch immer tief
beeindruckt von Text, Video, Audio und dem Gesamterlebnis des heutigen Abends. Mit "Worte im Licht" ist eine großartige Inszenierung gelungen, die sicher nicht nur uns sehr bewegt hat. (...)
Vielen Dank noch einmal für den anregenden und unvergesslichen Abend.
Elke und Heinz Opitz

... auch ich möchte mich den positiven Rückmeldungen anschließen. Es war eine sehr gelungene, interessante, beeindruckende und tief bewegende Veranstaltung; herzlichen Dank!
(...) es kann nicht genügend Veranstaltungen des Erinnerns an das Geschehene geben, um präventiv die Zukunft zu gestalten.
Heike Bickmann

(...) ich war rundum beeindruckt und berührt! Die Auswahl der Texte, das lebendige Vortragen der Texte, der musikalische Rahmen und die Projektionen auf die Leinwand wirkten sehr stimmig und gelungen. Da war sicher jede(r) Beteiligte mit Energie und Begeisterung bei der Sache.
Eine tolle Idee von den Schülern war es, das Thema "Bücherverbrennung" durch Bücher mit leuchten rot und orange bemalten Deckeln zu verbildlichen. Leider konnte man diese Deko in den hinteren Reihen gar nicht sehen. Ein Aspekt dieser Deko ist mir erst später aufgefallen: die Flammen sind auf die Buchdeckel aufgemalt - die Bücher stehen also in Flammen, können von diesen aber nicht vernichtet werden! Das unterstreicht doch die Aussage der Veranstaltung, dass das Werk der Autoren nicht vernichtet/vergessen werden kann, "nur" dadurch, dass von ihnen Bücher verbrannt worden sind ... (...)
Lutz Imken

(...) wir waren sehr ergriffen von der Veranstaltung, insbesondere von der abschließenden Lesung von Herrn Finkelstein.
Herzlichen Dank und nochmals einen späten, weiteren Applaus an Sie und das ganze Team.
Sören und Gudrun Eckhardt

 “Ein wahnsinnig umfangreiches Projekt, in das viel Kreativität und Arbeit hineingesteckt wurde.
Die Aufführung hat mich sehr berührt und beeindruckt und ich bin froh, dass ich sie gesehen habe.”
Ulla Kloppenburg

“Die "Worte im Licht" waren ein zutiefst beeindruckendes Ereignis.
Ich bin kulturell und emotional reich beschenkt nach Hause gekommen.
Was da zustande gebracht wurde - Hochachtung und Riesenkompliment!”
Renate Bauschke